WESTERWELLE-Interview für "dpa"

Berlin. Das FDP-Präsidiumsmitglied, Bundesaußenminister DR. GUIDO WESTERWELLE gab für "dpa" das folgende Interview. Die Fragen stellte MICHAEL FISCHER:

Frage: Seit 2001 gab es etliche internationale Afghanistan-Konferenzen mit unterschiedlichen Erfolgen. Wie ordnen Sie die Bedeutung des Bonner Treffens im Dezember ein?

WESTERWELLE: Die Bonner Konferenz wird eine besondere Konferenz sein. Von afghanischer Seite wird sie als Konferenz mit einer strategischen Bedeutung betrachtet. Es geht jetzt darum, die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Afghanen voranzubringen, den inneren Aussöhnungsprozess zu unterstützen und gleichzeitig dem Land eine Perspektive für die Zeit nach dem Abzug der internationalen Kampftruppen 2014 aufzuzeigen.

Frage: Ein wichtiges Thema wird der wirtschaftliche Aufbau sein. Afghanistan ist zwar möglicherweise noch über Jahrzehnte hilfsbedürftig, andererseits aber auch ein reiches Land, das Rohstoffe mit einem geschätzten Wert von drei Billionen US-Dollar besitzt. Wird die deutsche Wirtschaft irgendwann einmal davon profitieren können?

WESTERWELLE: Das wird entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, die Sicherheitslage so weit zu stabilisieren, dass ausländische Unternehmen in Afghanistan investieren können. Afghanistan hat viel Potenzial, das brach liegt. Deutschland hat gute Angebote zu machen, gerade in den Bereichen Technologie, Infrastruktur, Energie. Die wirtschaftliche Entwicklung in Afghanistan muss gefördert werden, um auch auf diesem Weg die Sicherheitslage zu verbessern. Denn nur so kann dem Extremismus und der Gewalt der Nährboden der sozialen Unzufriedenheit entzogen werden.

Frage: Es gilt inzwischen als allgemeine Erkenntnis, dass der Konflikt nur politisch und nicht militärisch gelöst werden kann. Werden die Taliban nach Bonn eingeladen, um diesen politischen Prozess voranzubringen?

WESTERWELLE: Darüber spekuliere ich nicht. Feststeht, dass die Frage des inneren Aussöhnungsprozesses zuallererst von den Afghanen selbst vorangetrieben werden muss. Denn Frieden in Afghanistan kann nur zwischen den Parteien und Gruppierungen in Afghanistan geschlossen werden.

Frage: Gleichzeitig mit der Vorbereitung der Bonner Konferenz laufen die Gespräche über die Mandatsverlängerung für den Bundeswehreinsatz, mit der die Truppenreduzierung eingeleitet werden soll. Vor einem Jahr haben Sie im Bundestag gesagt, dass das Bundeswehrkontingent Ende 2011 erstmals reduziert werden könne. Kehren die ersten Soldaten noch vor Weihnachten nach Hause zurück?

WESTERWELLE: Es geht hier nicht um Symbolik oder symbolische Daten. Es es geht darum, jetzt den Scheitelpunkt in der Afghanistan-Politik zu erreichen. Wir wollen die Wende schaffen. Nach zehn Jahren des Truppenaufwuchses wollen wir erstmalig dazu übergehen, unsere Truppenstärke zu reduzieren. Dabei darf es keine Gefährdung des Erreichten und keine Gefährdung unserer Soldaten in Afghanistan geben. Im Dezember werden der Verteidigungsminister und ich aufgrund unserer Einschätzung der Lageentwicklung einen Mandatsentwurf vorlegen. Im Januar soll das neue Mandat im Bundestag beschlossen werden, in dem dann auch die Richtung für den Abzug erkennbar sein soll.

Frage: Die USA schreiten beim Truppenabzug recht zügig voran. Sollte man sich daran ein Beispiel nehmen?

WESTERWELLE: Schon von den Größenordnungen her kann man das amerikanische Engagement schwer mit dem deutschen vergleichen. Das US-Kontingent in Afghanistan ist um ein Vielfaches größer als das deutsche. Und nochmal: Es geht hier nicht um Symbolik, und es kann auch nicht um ein Wettrennen beim Abzug gehen.

Frage: Alle internationalen Kampftruppen sollen bis Ende 2014 abgezogen werden. Ist dieses Datum unumkehrbar?

WESTERWELLE: Das ist international in Lissabon vereinbart und auch von Präsident Karsai bestätigt worden. Der Fahrplan steht. Wichtig ist, dass die jetzige Bundesregierung realistische Ziele definiert hat. Wir können den Einsatz nicht erst dann beenden, wenn Afghanistan eine Demokratie nach europäischem Vorbild geworden ist. Realistische Ziele sind: eine ausreichend gute Regierungsführung, die Wahrung der fundamentalen Rechte und vor allem keine neue Gefährdung unserer Sicherheit zu Hause. Der Einsatz dient nicht in erster Linie dem Ziel, Brunnen zu bohren oder Krankenhäuser zu bauen. Vielmehr sind unsere Soldaten vor allem in Afghanistan, um unsere Freiheit und unsere Sicherheit zu verteidigen.

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