LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER-Interview für das "Handelsblatt"

Berlin. Die stellvertretende Vorsitzende der FDP, Bundesjustizministerin SABINE LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER gab dem "Handelsblatt" (heutige Ausgabe) das folgende Interview. Die Fragen stellten HEIKE ANGER und BARBARA GILLMANN:

Frage: Frau Ministerin, nach monatelangem, erbitterten Streit haben Sie sich mit der Union auf eine Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze verständigt. Sie sagen, das hat nichts mit den Steuersenkungen zu tun, die die FDP im Gegenzug unbedingt erreichen will. Wer soll das glauben?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Wir haben uns bei den Verhandlungen in keiner Sekunde mit Steuersenkungen befasst. Das hat inhaltlich nichts miteinander zu tun.

Frage: Es wäre nicht der erste Deal, der gemacht wird...

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Man kann sicherlich Pakete schnüren, mit komplexen Themen, die inhaltlich zusammengehören. Und Steuervereinfachung und Steuersenkungen sind ja auch mehr als komplex. Nur haben die nichts mit Bürgerrechten oder Sicherheit zu tun. Das jetzt Gerüchte von der Opposition gestreut werden, das ist abenteuerlich. Es gibt kein Zusammenbinden verschiedener Themen. Oder die Vermittlung von irgendwem. Ich habe allerdings bei den Verhandlungen über die Anti-Terror-Kämpfe die Überlegung im Hinterkopf gehabt: Wenn es einen Weg zu einem Kompromiss bei diesem einen Thema gibt, dann kann das nicht schlecht für die Koalition sein.

Frage: Sie wollten signalisieren, dass das Chaos in der Regierung nicht so groß ist wie es aussieht?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Wenn sachorientiert verhandelt wird und jeder einzelne Punkte einbringen kann, dann bewegt sich auch etwas. Bei einem Kompromiss müssen sich beide Seiten wiederfinden. Jeder allein hätte es sicher anders gemacht. Aber zumindest bei den Anti-Terror-Gesetzen gibt es nun kein "weiter so" wie in der Vergangenheit, mit pauschaler Verlängerung und Verschärfung. Die Gesetze werden nun auf vier Jahre befristet, einzelne Regelungen wie Einblick in Bankschließfächer, Abfrage von Postverkehr und Postfächern oder der kleine Lauschangriff gibt es künftig nicht. Außerdem wird die Sicherheitsgesetzgebung der letzten zehn Jahre kritisch durchleuchtet, durch eine Regierungskommission - mit konkreten Handlungsempfehlungen

Frage: Sie verzeihen der Union die Aufforderung, Sie müssten ihren "grundrechtlichen Phantomschmerz in den Griff" bekommen?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Ich bin nach wie vor gerne in der Mitte der Gesellschaft, wenn es darum geht, die Einschränkungen auf die Freiheits- und Grundrechte der Bürger zu begrenzen. Solche Äußerungen gehen bei mir beim linken Ohr rein und beim rechten wieder raus.

Frage: Helmut Kohl hat die FDP mitunter hofiert, Kanzlerin Merkel wirkt taktisch bis herablassend.

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Ohne uns gäbe es diese Koalition nicht. Wir waren auch diejenigen, die das Paket zur Euro-Rettung - anders als die Union - mit nur einer einzigen abweichenden Stimme getragen haben. Die FDP ist ein eigenständiger Partner, der mit der Union auf Augenhöhe Politik gestaltet.

Frage: Die Harmonie bei der Terror-Abwehr ist eine Vorlage für die anlaufende Steuerdebatte. Was will die FDP? Ist es richtig, wenn von Entlastungen in Höhe von zehn Milliarden Euro die Rede ist?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Die grundsätzliche Einigung, die Bürger in dieser Legislaturperiode zu entlasten, ist getroffen worden. Es geht darum, in Zeiten eines wirklich tollen Aufschwungs mit deutlich gestiegenen Steuereinnahmen unter Einhaltung der Schuldenbremse mehr Gerechtigkeit zu schaffen. Eine Folge der guten Konjunktur ist, dass wir nun die Sozialbeiträge senken können, vor allem bei der Rente.

Frage: Statt Steuersenkung?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Nein, denn damit wird nicht unmittelbar der öffentliche Haushalt belastet. Wir haben den Bürgern versprochen, dass wir auch die Steuern senken. Zum Volumen kann ich nichts sagen. Jetzt kommt es darauf an, die Spielräume zu nutzen.

Frage: Auch die Liberalen sind sich nicht einig: Der schleswig-holsteinische Fraktionschef Wolfgang Kubicki hat Steuersenkungen zu Lasten der Länder ausgeschlossen...

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Das muss man mit Wolfgang Kubicki diskutieren. Er ist sicherlich nicht grundsätzlich dagegen, den Bürger zu entlasten. Natürlich müssen die Interessen von Ländern, die eine hohe Verschuldung und damit ganz enge Spielräume haben, berücksichtigt werden. Wir in Bayern etwa unterstützen ausdrücklich das Ziel von Steuersenkungen.

Frage: Trotz aller Harmonie, die Sie nun verkünden. Atomausstieg, Griechenland-Hilfe, Sicherheitsgesetze, Steuersenkungen - Schwarz-Gelb befindet sich doch im Dauerstreit.

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Es hat Zurufe aus der Union gegeben, die nicht unbedingt dazu beitragen, dass mit einem guten Klima vernünftige Ergebnisse erreichen werden können. Ich wünsche mir, dass auch über kritische und strittige Fragen ohne Schaum vorm Mund verhandelt wird.

Frage: Wer ist Schuld am schlechten Klima in der Koalition?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Angesichts der Krise in Griechenland hatten wir noch nicht ausreichend Gelegenheit, den Koalitionsvertrag voll umzusetzen. Außerdem wird auch in der Union intern hart diskutiert, wie etwa bei der Euro-Rettung. Und grundsätzlich gilt, dass jeder Partner positive Ergebnisse braucht. Das kann auch gelingen. Ich will, dass diese Koalition 2013 eine ordentliche Bilanz vorlegt.

Frage: Schwarz-Gelb ist also von der schwierigen Lage überfordert?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Wir sind überhaupt nicht überfordert. Natürlich ist es in einer Koalition immer schwierig, wenn man um gemeinsame Ergebnisse ringen muss.

Frage: Nun ist fast Halbzeit der Regierung. So richtig etwas vorweisen können Sie nicht.

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Wir sind mit Entlastungen für die Bürger gestartet. Das Wachstumsbeschleunigungsgesetz hat auch Unternehmen entlastet. Nun haben wir eine Einigung zu den Sicherheitsgesetzen. Und wir werden in dieser Woche die Gesetze zur Energiewende verabschieden. Wir haben einiges erreicht, aber der Weg dahin war steinig.

Frage: Die schwarz-gelbe Koalition ist alles andere als das erhoffte Traumbündnis. Hat sich eine Neuauflage damit jetzt schon erledigt?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Wir haben einen Vertag für vier Jahre geschlossen und den werden wir erfüllen.

Frage: Und danach?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Die Parteienlandschaft hat sich verändert. Heute gibt es fünf Parteien. Und in den Ländern gibt es inzwischen alle möglichen Kombinationen. Die FDP ist eine eigenständige Partei und das zählt - nicht Spekulationen über Aussagen zur nächsten Bundestagswahl.

Frage: Wäre Peer Steinbrück ein gefährlicher Herausforderer für Merkel?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Dazu muss er erst mal seine Partei hinter sich bringen. Wird er tatsächlich Kanzlerkandidat, muss man ihn ernst nehmen. In Finanz- und Haushaltsfragen genießt er laut Umfragen Wertschätzung.

Frage: Hören wir da leise Sehnsucht nach sozialliberalen Alternativen?

LEUTHEUSSER-SCHNARRENBERGER: Grün-Rot kann für die SPD jedenfalls nicht die Traumkonstellation sein.

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